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Menschen ohne Geschichte sind Staub

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Menschen ohne Geschichte sind Staub

Queeres Verlangen im Holocaust

„Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust“ von Anna Hájková ist ein bahnbrechendes Werk, das sich mit einem oft vernachlässigten Aspekt der Holocaust-Geschichte beschäftigt: den queeren Opfern des Nazi-Terrors. Hájková beleuchtet, wie das queere Verlangen unter Holocaust-Überlebenden lange Zeit aus den Geschichtsbüchern verdrängt wurde, und setzt sich für eine umfassende Aufarbeitung dieser Geschichten ein. Sie untersucht insbesondere die Gründe, warum die queere Geschichte des Holocaust so lange Zeit übersehen wurde und bringt neue Perspektiven in die Debatte ein.

Ein zentraler Aspekt des Buches ist die Erkenntnis, dass viele Überlebende, aber auch die Gesellschaft innerhalb der Konzentrationslager und Ghettos, stark homophob geprägt waren. Diese Haltung führte dazu, dass die Stimmen und Geschichten queerer Menschen in den Archiven weitgehend unterdrückt und ignoriert wurden. Hájkovás Forschung basiert auf dieser systematischen Ausgrenzung und versucht, die ausgelöschten Stimmen wieder hörbar zu machen. Das Werk hinterfragt dabei nicht nur die Diskriminierung durch die Nationalsozialisten, sondern auch die anhaltende Ausblendung queerer Schicksale in der Nachkriegsforschung und -erinnerung.

Das Buch ist dabei nicht nur eine nüchterne historische Analyse, sondern auch eine tiefgehende Untersuchung der menschlichen Sexualität in den Lagern. Hájková beschreibt Beziehungen, die oft von Gewalt, Zwang und Abhängigkeit geprägt waren. Sie zeigt auf, wie schwierig es ist, klare Grenzen zwischen romantischen und erzwungenen Beziehungen zu ziehen. Die Autorin beleuchtet dabei auch besondere Einzelschicksale, darunter das von Anne Frank, und führt den Leser in die intimen Gedanken und Erfahrungen dieser Menschen. Anne Franks Tagebucheintrag, in dem sie über ihre Neugier auf den Körper einer Freundin schreibt, wurde in späteren Ausgaben ihres Tagebuchs zensiert, ein Beispiel für die unsichtbare Queerness vieler Holocaust-Opfer.

Hájkovás Buch fordert zudem einen Perspektivwechsel im Umgang mit der sexuellen Identität. Sie argumentiert, dass das traditionelle Verständnis von Sexualität als eine starre, festgelegte Identität zu eng ist, um das Verhalten und die Erfahrungen der Holocaust-Opfer zu begreifen. Stattdessen schlägt sie vor, das Konzept von „Akten und Praktiken“ zu verwenden, um das sexuelle Verhalten in den Lagern besser zu verstehen.

Besonders wertvoll ist das Werk für die historische Forschung, da es eine bisher kaum beleuchtete Facette des Holocaust ins Zentrum rückt. Hájková beschreibt mehrere biografische Beispiele queerer Überlebender, die erst nach Jahren oder Jahrzehnten ihre Geschichten offenbarten. Eine dieser Geschichten ist die von Margot Heuman, deren queere Identität erst in späten Interviews thematisiert wurde, obwohl sie bereits in früheren Aufzeichnungen enthalten war. Ihre Geschichte zeigt eindrücklich, wie tief die Unsichtbarmachung queerer Liebe in der Geschichtsforschung verankert war.

Ein weiteres Beispiel ist Jiří Vrba, ein schwuler Mann, der während des Krieges im Jugendheim von Theresienstadt lebte und nach dem Krieg für die tschechische Geheimpolizei arbeitete – ironischerweise in einer Operation gegen Homosexuelle. Solche Widersprüche und Ambivalenzen prägen viele der Biografien, die Hájková in ihrem Buch untersucht.

Das Buch ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von großer politischer Bedeutung. Es ist ein Aufruf, die stigmatisierenden Kategorien von Hetero- und Homosexualität zu hinterfragen und die komplexe Realität des menschlichen Verlangens zu verstehen. Tessa Ganserer, Abgeordnete der Grünen im Bundestag, unterstreicht im Vorwort des Buches, dass die individuelle Geschichte der Opfer entscheidend ist, um das volle Ausmaß des Holocausts zu begreifen. Erst durch das Verstehen der persönlichen Schicksale und Facetten könne man die Tragödie des Holocaust in ihrer Gänze erfassen.

„Menschen ohne Geschichte sind Staub“ ist ein Pionierwerk in der Holocaust-Forschung und trägt dazu bei, die Stimmen queerer Opfer zu bewahren und deren Geschichte endlich angemessen zu würdigen.

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