Religion, Public Intimacy, and Saintly Affects in Pakistan
In Queer Companions: Religion, Public Intimacy, and Saintly Affects in Pakistan beleuchtet Omar Kasmani eine faszinierende und vielschichtige Thematik, die weit über die üblichen Diskurse zu Sexualität und Religion hinausgeht. Kasmani zeigt, wie in Pakistan an einem zentralen Ort des Sufi-Pilgerns intime, fast heilige Bindungen zwischen Menschen entstehen, die sich jenseits traditioneller Normen bewegen. Diese Bindungen, die zwischen den sogenannten Fakiren – einer Gruppe von Asketen – und islamischen Heiligen geknüpft werden, eröffnen neue Perspektiven auf queere Identität und Gemeinschaftsbildung.
Im Zentrum von Kasmanis Untersuchung steht der Pilgerort Sehwan Sharif, der zu Ehren eines berühmten, antinomischen Sufi-Heiligen aus dem 13. Jahrhundert gegründet wurde. Dieser Ort zieht nicht nur Gläubige an, sondern ist auch eine Bühne für komplexe soziale und emotionale Verbindungen, die Kasmani als „saintly intimacy“ beschreibt. Hier werden nicht nur spirituelle, sondern auch queere Formen der Nähe und Gemeinschaft erlebbar, die über offizielle und normative Strukturen hinausgehen.
Kasmani verbindet in seinem Werk auf originelle Weise Elemente der Queer-Theorie mit der Anthropologie des Islam. Er argumentiert, dass die Zuneigung und Verehrung, die die Fakire für die Heiligen empfinden, als eine Form der „ungewöhnlichen“ – oder „queeren“ – Intimität verstanden werden kann. Diese Intimität ist nicht nur spirituell, sondern auch körperlich spürbar und prägt sowohl die Lebensweise der Fakire als auch die Gesellschaft um sie herum. In einer tief durchdrungenen patriarchalen und heteronormativen Umgebung entwickelt sich hier eine alternative, von der Öffentlichkeit getragene Architektur der Nähe und Zugehörigkeit.
Ein zentrales Anliegen des Buches ist es, die Komplexität und Vielfalt der Beziehungen darzustellen, die in diesen religiösen und sozialen Räumen entstehen. Kasmani zeigt, wie Männer, Frauen und khwaja-sara (eine kulturelle Kategorie für trans- und nicht-binäre Personen in Südasien) durch ihre Nähe zu den Heiligen neue, unorthodoxe Wege finden, um sich von den traditionellen Erwartungen und Rollen, die ihnen die Gesellschaft zuschreibt, zu lösen. Sie treten aus den ihnen zugedachten Positionen von Ehepartnern oder Eltern heraus und erschaffen eine eigene, queere Gemeinschaft, die auf einer tiefen spirituellen Verbindung zu den Sufi-Heiligen basiert.
Das Werk beruht auf umfangreichen ethnographischen Forschungen und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie historische, spirituelle und staatliche Strukturen miteinander verwoben sind. Kasmani argumentiert, dass das Näherkommen zu den Heiligen nicht nur eine persönliche, religiöse Erfahrung ist, sondern auch einen Zugang zu einer „mehr als offiziellen“ Geschichte ermöglicht, die die staatlichen Erzählungen von Religion und Governance überschreitet. In diesem Kontext beschreibt Kasmani den Pilgerort als einen Raum der alternativen Geschichtsschreibung, in dem die Menschen ihre eigene Form der Zugehörigkeit und Identität entwickeln können.
Queer Companions geht weit über eine bloße anthropologische Untersuchung hinaus. Es eröffnet einen neuen, tiefen Blick auf die Rolle von Emotionen, Affekten und spirituellen Bindungen in der Bildung von queeren Gemeinschaften. Kasmani zeigt, wie Heilige in Pakistan nicht nur als religiöse Figuren verehrt werden, sondern auch als „queere Begleiter“ wirken, die neue Formen des Lebens und Zusammenlebens ermöglichen.
Omar Kasmanis Buch hat im Jahr 2023 den renommierten Ruth-Benedict-Preis gewonnen, eine Auszeichnung, die außergewöhnliche wissenschaftliche Arbeiten ehrt, die die LGBTQIA+-Community und alternative sexuelle und geschlechtliche Identitäten in den Mittelpunkt stellen. Kasmani, der an der Freien Universität Berlin tätig ist, gelingt es in diesem Werk, sowohl akademische Präzision als auch emotionale Tiefe zu vereinen und dadurch eine unverzichtbare Lektüre für all jene zu schaffen, die sich mit den Überschneidungen von Religion, Intimität und queerer Identität auseinandersetzen möchten.